ANDREAS SIEMONEIT

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Patriotismus kann viele Formen annehmen ...Nautisches Lexikon - Nautische Häppchen

Hier könnt Ihr einige nette Kleinigkeiten nachlesen, die man nicht wissen muß, aber wissen kann. Kurioses und Historisches, Nützliches und Albernes.

Wußtet Ihr, ...

Tonne

... was alles hinter dem unscheinbaren Begriff "Tonne" steckt? Daß Brutto- und Nettoregistertonnen nichts mit dem Gewichtsmaß Tonne zu tun haben?

Eine Tonne (engl. "ton") ist an Land ein Gewichtsmaß und auf See ein Raummaß. Der Begriff entwickelte sich aus dem englischen "tun", womit große Fässer bezeichnet wurden, in denen Wein transportiert wurde. Die "tunnage" eines Schiffes war also sein Ladevermögen an solchen Fässern, die zwei pipes = vier hogsheads = 252 old wine gallons faßten. 

An Land ist eine Tonne 2.240 lb (brit. Pfund, "long ton") bzw. 2.200 lb (US-Pfund, "short ton"). Aber weil sich Längenmaße schon immer leichter bestimmen ließen als Gewichtsmaße, war eine Tonne auch 6,7 barrel Öl, 40 Kubikfuß Holz roh oder 50 Kubikfuß Holz gesägt und ähnliches. Früher war man da etwas laxer als heute.

Die Schiffsvermessung rechnet in Raummaßen, also Volumen, und die Registertonne war bis 1982 das international in der Handelsschiffahrt übliche Raummaß. Eine Bruttoregistertonne sind 100 Kubikfuß = 2,83 Kubikmeter. Eine Nettoregistertonne sind 40 Kubikfuß. Brutto bezieht sich auf den gesamten seefest abgeschlossenen Schiffsraum (ohne Schiffwände), Netto auf den Raum für Ladung (also das, was Geld bringt). Schiffsvermessung war damit immer ein unglaublich aufwendiges Unterfangen, da man das Volumen bestimmen mußte. Es gab vereinfachende Formeln, die es ermöglichten, die Tonnage eines Schiffes aus seinen Außenmaßen zu bestimmen. Allerdings waren diese Formeln immer an bestimmte Schifftypen (schlank, bauchig etc.) gebunden und entsprechend ungenau. Der Schiffsraum ist vielfach die Basis für Steuern, Hafengebühren etc., und das Ergebnis der Schiffsvermessung wird im Schiffsmeßbrief festgehalten.

Um die Sache zu vereinfachen (mit der Registertonne hatte man ein Maß, das sich nach den Innenkanten der Schiffsräume bestimmte, der Schiffsvermesser kam also nicht umhin, als durch das Schiff zu stapfen und zu messen), wurden daher ab Juli 1982 mit der "Tonnage-Konvention" Brutto- und Nettoraumzahl eingeführt, ebenfalls Raummaße, die sich aber von der Außenhaut des Schiffes bemessen und daher einfacher zu bestimmen sind (wie es um die Genauigkeit und die Sache mit den Schiffstypen bestellt ist, weiß ich leider nicht). Die Nettoraumzahl ist schlicht und ergreifend per definitionem das 0,3fache der Bruttoraumzahl.

Manchmal wird als Maß für die Größe eines Schiffes auch die Verdrängung (Deplacement) angegeben, und das ist tatsächlich ein Gewichtsmaß, nämlich die metrische Tonne (engl. "tonne", mit "ne" = 1.000 kg) als Maß für die Masse des verdrängten Wassers und damit auch für die Masse des Schiffes. Die Gesamttragfähigkeit (Ladung plus Ausrüstung plus Treibstoff plus Proviant) eines Schiffes, das bis zur Lademarke eintaucht, wird als "Deadweight all told" (DWT) bezeichnet und ebenfalls in metrischen Tonnen gemessen.

Dreimeilenzone

... wie der Begriff der Dreimeilenzone als der klassischen nationalen Küstenzone entstanden ist? Die Dreimeilenzone ist der küstennahe Bereich der Weltmeere, der der Souveränität des Küstenstaates untersteht (mittlerweile hat sich allerdings die Zwölfmeilenzone als "klassisch" durchgesetzt, einige Staaten beanspruchen noch mehr, meist wegen Fischfang oder Öl, also Geld).

Die Dreimeilenzone ist ein Kompromiß zwischen dem Wunsch des Küstenstaates, die umliegenden Wasser zu kontrollieren, und dem Wunsch aller anderen Staaten nach freier Seefahrt. Ein Herr Bynkershoek machte 1702 diesen Kompromißvorschlag: Drei Seemeilen ist in etwa die maximale Reichweite traditioneller Kanonen, und nach dem Grundsatz terrae dominium finitur ubi finitus armorum vis (in etwa: Die Herrschaft über das Land endet, wo die Macht der Waffen endet) wurde allgemein die Dreimeilenzone als nationaler Bereich akzeptiert, der von Land aus verteidigt werden kann. Alles, was dahinter kommt, ist Hohe See und offen für jedermann.

Bitteres Ende

... wie es zum Begriff des "bitteren Endes" kommt?

The bitts" waren früher zwei kräftige, senkrechte Eichenpfosten auf dem Vordeck, um die die Ankertaue in Achtformen gelegt wurden, wenn das Schiff vor Anker lag. Es handelt sich also um die Urform der Klampe (traditionelle Schiffe benutzen diese Form noch heute). "The bitter end" war der Teil des Ankertaues, der sich achterlich der bitts befand, also der nicht benutzte Teil des Ankertaues auf dem Schiff.

"To pay a rope out to the bitter end" bedeutete also nichts anderes, als das Ankertau solange zu fieren (in der Hoffnung, der Anker möge dadurch besser halten), bis man nichts mehr zu fieren hatte ...

Betonnungssystem

... daß es bis 1976 mehr als 30 (!) verschiedene Betonnungssysteme auf der Welt gab? Es gab alle Tonnenfarben, die man sich denken kann, an Mustern und Toppzeichen gab es kariert, gestreift und was nicht alles. Außerdem hatten viele Systeme solche Regeln, die in anderen Systemen gerade andersherum definiert waren. Hier seht Ihr links ein Beispiel aus den Britischen Gewässern in den 1950er Jahren. Hochtrabend nannte sich das "Einheitliches Betonnungssystem", aber die Einheitlichkeit bezog sich nur auf die Britischen Inseln ... Rechts wird das deutsche Tonnensystem Ende der 1960er Jahre dargestellt. In beiden Systemen gilt: Rot = Backbord, Schwarz = Steuerbord, Grün = Wrack. Auch sind die Formen der Lateralzeichen gleich. Ansonsten gibt es reichlich Unterschiede.

 

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Britisches Betonnungssystem 1957

 


Deutsches Betonnungssystem 1969

 
Nach einer Serie von schweren Schiffsunfällen in der Straße von Dover wurden 1971 von der IALA, der International Association of Lighthouse Authorities, zwei neue Betonnungssysteme eingeführt, nämlich A und B, zwei großen Regionen der Welt entsprechend:

Wichtig: Nur die Farben sind in Region A und B unterschiedlich, die Tonnenform ist einheitlich (stumpf an Backbord, spitz an Steuerbord). Es gibt damit nur noch fünf "Tonnentypen", die nun überall einheitlich definiert sind:

Wenn Ihr also denkt, es gebe zu viele verschiedene Tonnen, dann seid lieber froh, daß es nur so wenige gibt.

Kompaßrose

... daß die heute verbreitete Kompaßrose mit der Einteilung von 000° bis 360° früher starke Konkurrenz durch ein traditionelles System hatte? Und was bedeutet die schöne Aussage der Kapitäne in Abenteuerfilmen "Kurs ändern drei Strich backbord!"?

Traditionell wurde von einer Einteilung des Vollkreises in die vier Hauptwindrichtungen N, S, W, O ausgegangen. Die gibt es auch heute noch, wobei sich E statt O für Osten durchgesetzt hat, wegen der Verwechslungsgefahr mit der Null. Diese vier Richtungen werden auch "Kardinal-Richtungen" genannt (deshalb kardinales Betonnungssystem), aber sie waren als Richtungsangaben natürlich zu grob und mußten noch weiter unterteilt werden. Es lag nahe, einen Quadranten immer wieder zu halbieren, um ihn nach drei Halbierungen in acht gleiche Teilwinkel aufgeteilt zu haben. Diese Teilwinkel nannte man Striche. Ein Strich ist gleich 90° / 8 = 11,25°, der Vollkreis hat damit 32 Striche. Sie waren (mit der Möglichkeit, auch halbe Striche zu verwenden) durchaus genau genug für die damaligen Meßgeräte (heutige Yachtkompasse sind mit 5°-Schritten nicht genauer).

Und noch weiter unterteilt ...Traditionelle KompaßroseDie reine Katastrophe war allerdings die Benennung der 32 Kursrichtungen, die sich damit ergaben. Anstatt sie durchzunumerieren, wurden sie weiter nach den Hauptwindrichtungen benannt. Zwischen N und W lag also NW, zwischen N und NW lag NNW, zwischen NW und W lag WNW (als ersten Buchstaben immer die nächste Hauptwindrichtung). Mit diesem Schema konnte man also 16 Richtungen benennen. Für die restlichen 16 dazwischen ging man wieder von den vier Hauptwindrichtungen und den vier "einfach kombinierten" Windrichtungen NW, SW, SE, NE (übrigens auch "Quadrantal-Richtungen" genannt) aus: Sie wurden einfach mit Zusätzen wie "zu N" oder "zu W" versehen. Damit ergab sich die nebenstehende linke Kompaßrose (hier ein englisches Beispiel, statt "zu N" heißt es "by N"). Und das ließ sich natürlich auch noch weiter verfeinern ... (rechte Kompaßrose).

Preisfrage: Was ergibt eine Kursänderung von "SE zu E" vier Strich südlicher? Richtige Antwort: "S zu E". Das Rechnen mit diesen Größen war dementsprechend eine Zumutung, fehlerträchtig und nur für routinierte Seeleute zu bewältigen. Solche Fragen beim SKS, und die Durchfallquote würde ins Unermeßliche steigen ... Insofern sind wir mit dem 360°-System eindeutig besser bedient.

Man findet Überbleibsel dieses Systems heute noch z. B. in den Sektoren, die von den Seitenlichtern (Backbord- und Steuerbordlicht) abgedeckt werden: "Von recht voraus bis zwei Strich achterlicher als querab", also 8 + 2 Strich = 112,5°. Und natürlich in Abenteuerfilmen ...

Tonhöhe von Schiffspfeifen

... daß die Tonhöhe von Schiffspfeifen je nach Schiffsgröße vorgeschrieben ist?

Es ist also keine Laune der Reeder, ihre schönen großen Kreuzfahrtschiffe mit romantisch-tieftönenden Sirenen auszustatten, sondern eine Vorschrift der KVR. Die KVR schreiben in der Anlage III: "Technische Einzelheiten der Schallsignalanlagen", daß die Grundfrequenz einer Pfeife zwischen folgenden Grenzen liegen muß:

Wer also seine Jolle mit einem dröhnenden Baß ausrüstet, wird zum Gesetzesbrecher. So schnell geht das.

Leicht luvgierig

... warum gut getrimmte Segelboote immer leicht luvgierig sein sollen und nicht genau geradeauslaufend?

Es gibt im wesentlichen zwei Gründe:

Zusätzlich heißt es bei manchen Autoren, ein leichter seitlicher Wasserdruck auf dem Ruderblatt sei generell wünschenswert, um ein besseres Gefühl für die Segeleigenschaften des Bootes zu haben.

"Backbordbug vor Steuerbordbug": Richtig, aber Prüfung nicht bestanden

... warum man in Deutschland mit der wunderbar zu merkenden Ausweichregel "Backbordbug vor Steuerbordbug" in jeder Prüfung Minuspunkte sammelt, obwohl sie inhaltlich richtig ist?

Ihr könnt es an mehreren Orten nachlesen, z. B. im SKS-Buch von Rolf Dreyer: In Prüfungen führt die Formulierung "Backbordbug vor Steuerbordbug" in der Regel zum vollen Punktabzug, statt dessen soll die Formulierung "Dasjenige Schiff ist Kurshalter, welches den Wind von Steuerbord hat" verwendet werden. Und warum? Weil es bei den ganzen Ausweichregeln nach KVR eine Systematik gibt, bei der die Steuerbordseite immer begünstigt ist ("die gute Seite"). Das Schiff an der Steuerbordseite oder mit Wind von Steuerbord darf Kurs halten, das andere muß ausweichen, und zwar in der Regel ein Ausweichmanöver nach Steuerbord fahren. Im Detail heißt das:

Und wie kommt es zu diesem Malheur mit unserer schönen Regel "Backbordbug vor Steuerbordbug"? Wie kann denn bei der KVR-Systematik "Steuerbord vor" eine Ausweichregel entstehen, bei der Backbord sprachlich die "gute" Rolle hat? Des Rätsels Lösung liegt -- wie so oft -- im Englischen, wo die KVR letztlich herkommen: In der englischen Seglersprache bedeuten Backbordbug und Steuerbordbug genau das Gegenteil wie im Deutschen! Ein Boot segelt "on the port tack", wenn der Wind von Backbord (engl. port) kommt, also der Baum auf der Steuerbordseite steht, und anderenfalls "on the starboard tack". Auf englisch lautet die Merkregel also "Port Tack gives way to Starboard Tack", und damit hat im Englischen Steuerbord sprachlich wieder die Nase vorn, der "englische Backbordbug" muß ausweichen.

Durch einen Hinweis von Florian Bundschuh (besten Dank!) kommt noch mehr Klarheit in die Sache: "Ich durfte als Jugendlicher ein paarmal auf Booten der Marine mitsegeln, weil ein Onkel von mir hoher Offizier war. Da sprach man nicht von Backbordbug, sondern von Steuerbordhalsen, analog Backbordhalsen statt Steuerbordbug. Entsprechend hieß es dann auch: „Backbordhalsen weicht Steuerbordhalsen“. Die Halsen sind auf den alten Rahseglern Leinen, mit denen die die Luvlieken der Untersegel gespannt wurden, v. a. bei halben und höheren Kursen. Die Halsleine heißt im Englischen auch tack (en.wikipedia.org/wiki/Tack_(square_sail)), genau wie der Hals des Schratsegels. Der Prüfer, bei dem ich meine praktische SSS-Prüfung gemacht habe (und der auf Norderney eine Segelschule besitzt und bei der Marine gedient hat), sagte mir, diese Verwechslungsmöglichkeit zwischen Backbordbug und Steuerbordhalsen sei der Grund, weshalb der Spruch „Backbordbug vor Steuerbordbug“ unerwünscht sei."

Jetzt wissen wir Bescheid.

Hundewache

... was der Begriff Hundewache bedeutet?

Klassischerweise ist das (englische) Wachsystem für 24 Stunden in sechs Wachen zu je vier Stunden eingeteilt. Egal nun, ob man die Mannschaft in zwei oder in drei Wachen einteilt, bei einem gleichmäßigen Wachwechsel ergibt sich, daß jede Wache jeden Tag die gleichen Zeiten erhält. Um dies zu vermeiden, wurde die Wache von 16.00 bis 20.00 Uhr in zwei "Hundewachen" zu je zwei Stunden eingeteilt, die Erste Hundewache und die Letzte Hundewache (und nur ahnungslose Landratten benutzen den Begriff Zweite Hundewache!). Die Herkunft des Begriffes ist allerdings unklar, es gab ihn schon im 17. Jahrhundert.

Pilot

... wo der Begriff "Pilot", also englisch für "Lotse", herkommt?

Pilotage" ist die Navigation in flachen, küstennahen Gewässern. Und "Peillood" ist holländisch und bedeutet "Handlot", also die klassische Lotleine mit einem Gewicht dran, um die Wassertiefe festzustellen. Und dies war im Zweifel die Art und Weise, wie die Ortskundigen bestimmten, wo die rechte Ansteuerung in küstennahen Gewässern verlief: Sie loteten die Wassertiefe.

Voll und bei

... was der Begriff "voll und bei" bedeutet?

Wie bei vielen anderen Begriffen liegt auch hier die Ursache im Englischen. "By" heißt hier ganz allgemein "im Verhältnis zum Wind", und es gibt mehrere Begriffe, die daraus abgeleitet werden, um den Kurs eines Segelschiffes im Verhältnis zur Windrichtung zu beschreiben: