ANDREAS SIEMONEIT |
orm
der Erde: Für alle Übersichtskarten reicht die Kugelform der
Erde aus (Maßstab kleiner als 1:1.000.000). Zumindest genauer hinschauen muß man bei
allen großmaßstäbigen Seekarten (die also kleine Gebiete darstellen). Hier wird für
die Koordinatendefinition immer das Ellipsoid als Form der Erde zugrunde
gelegt. Noch genauer schauen die Geodäten hin, sie haben auch mit dem Ellipsoid noch
Probleme und daher das Geoid erfunden. Näheres dazu hier (83 kB).
Relativ gut definiert sind bei der Erde folgende Größen: Die Rotationsachse, die
Äquatorebene senkrecht dazu, die Masse und der Massenschwerpunkt (Erdmittelpunkt). Auf
diesen Größen bauen die Geodäten ihre Systeme auf.
Koordinaten: Für eine Fläche nennt man Koordinaten jedes System von zwei Größen, die geeignet sind, die Lage von Punkten auf dieser Fläche zu beschreiben. Für ein Karo-Papier kann das der Abstand von der unteren und linken Kante sein. Für die Erde wäre das unpraktisch, hier hat sich das System von Länge und Breite durchgesetzt, weil es die Kugelgestalt der Erde berücksichtigt und Längen- und Breitengrad stets senkrecht aufeinander stehen.
Geografische Breite (Abkürzung Lat, griech. Buchstabe phi): Der Winkel zwischen der Senkrechten am betrachteten Ort und der Äquatorebene. Wird vom Äquator nach den Polen von 00° bis 90° gezählt: Nach Norden mit dem Zusatz N oder dem Vorzeichen +, nach Süden mit dem Zusatz S oder dem Vorzeichen --. Wird stets zweistellig geschrieben (mit führenden Nullen, z. B. 05° N). Linien konstanter Breite heißen Breitenparallele.
Geografische Länge (Abkürzung Lon, griech. Buchstabe lambda): Der Winkel zwischen der Meridianebene des Nullmeridians und der Meridianebene des Ortsmeridians. Wird vom Nullmeridian (Meridian von Greenwich) von 000° bis 180° gezählt: Nach Osten mit dem Zusatz E oder dem Vorzeichen +, nach Westen mit dem Zusatz W oder dem Vorzeichen --. Wird stets dreistellig geschrieben (mit führenden Nullen, z. B. 087° W). Linien konstanter Länge heißen Meridiane.
artenentwurf (kartografische Abbildung, Kartennetzentwurf, Kartenprojektion): Ziel ist, jedem Ort auf der Erde auch einen Ort auf der Karte zuzuordnen. Die Landvermesser nehmen dafür zuerst das Land auf und binden auf der Basis ihrer Messungen die Punkte der Erdoberfläche an das entsprechende Referenzellipsoid. Anschließend ist die Übertragung der Netzlinien des Referenzellipsoids in eine Kartenebene notwendig, um in der Karte das geeignete geometrische Gerüst zu haben. Wenn man das hat, kann man quasi Punkt für Punkt die Ergebnisse der Landvermessung in die Karte übertragen.
Die Hauptforderungen an die Übertragung sind:
Es ist jedoch prinzipiell unmöglich, die gekrümmte Erdoberfläche verzerrungsfrei in eine Ebene abzubilden. Man kann lediglich eine Diskussion über die Größe und Art der Verzerrungen führen. Der Kartenzweck bestimmt die Art des Netzentwurfs, indem man jeweils die Fehler der wichtigsten Aussage minimiert. Am ehesten bieten sich für die Nautik Projektions-Entwürfe an. Je nachdem, wo man die Abstriche macht, hat man unterschiedliche Kartenentwürfe, von denen nur zwei für die Nautik wichtig sind:
Großkreis (Orthodrome): Kreis auf der Erdkugel, dessen Mittelpunkt der Erdmittelpunkt ist. Ein Großkreis teilt die Erdkugel stets in zwei Hälften. Alle Meridiane sind Großkreise, von den Breitenparallelen ist jedoch nur der Äquator ein Großkreis. Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten auf der Erde führt immer über den Großkreis, der durch diese Punkte hindurchführt, das macht die Bedeutung des Großkreis-Begriffes aus. Der Großkreis ist für die Erdkugel das, was die Gerade für die Ebene ist.
Kursgleiche (Loxodrome): Kurve auf der Erdoberfläche, die alle
Meridiane unter dem gleichen Winkel schneidet. Nur in Ausnahmefällen (Meridiane und
Breitenparallele) sind Kursgleichen "gerade" Linien. Ansonsten sind Kursgleichen
Linien, die sich spiralförmig um den Globus in Richtung Pol winden. Sie sind deshalb so
beliebt, weil man einen konstanten Kompaßkurs fahren kann, um eine
Kursgleiche entlang zu fahren, was als Anweisung für den Steuermann sehr einfach ist.
Für große Distanzen sind die Kursgleichen aber oft deutlich länger als die mögliche
kürzeste Verbindung (die ja über den Großkreis führt), weshalb man in diesen Fällen
die sogenannte Großkreisnavigation anwendet.
Großkreisnavigation: Der Großkreis ergibt in der Mercator-Karte
keine gerade Verbindung mehr, sondern nur in der gnomonischen Karte. Man müßte also mit
Mercator-Karte einen sich stetig ändernden Kompaßkurs fahren, wenn man
auf dem Großkreis bleiben will. Sehr lästig. Praktisch sieht das deshalb so aus: Aus
einer gnomonischen Karte werden dem (dort geraden) Großkreis einige Positionen entnommen
und in die entsprechende Mercator-Karte übertragen. Der Großkreis wird dann dort als
vieleckige Linie näherungsweise abgebildet, mit mehreren geraden Teilstücken. Auf jedem
dieser Teilstücke kann man dann einen konstanten Kompaßkurs fahren. Das reicht aus.
Bsp.: Entfernung Brest (Frankreich) - Norfolk (USA): Großkreis 3111 sm, Kursgleiche 3227
sm.
llgemein:
Schon immer wurde grundsätzlich das Meeresniveau als natürliche Bezugsebene
für Höhenangaben herangezogen (für Tiefenangaben erst recht :-). Während sich jedoch
die Geodäten mit der genauen Form der Erde beschäftigen, interessiert den Nautiker, ob
er mit seinem Schiff über die Sandbank kommt und unter die Brücke paßt. Damit laufen
aus rein praktischen Erwägungen die exakten Bezugsebenen für Höhen- und Tiefenangaben
auseinander.
Die Geodäten einigten sich auf das mittlere
Meeresniveau (Wind-, Luftdruck- und Gezeiteneinflüsse wurden eliminiert), weil sich das
immer senkrecht zur Schwerkraftrichtung einstellt, die sie oft und gerne bei ihren
Messungen nutzen (Wasserwaage).
Bei den Nautikern dominierte der Sicherheitsaspekt: Für die Nautik
relevante Tiefen- und Höhenangaben sollten so gewählt sein, daß Wetter, Wind und vor
allem Gezeiten nur sehr selten für schlechtere Bedingungen sorgen, als in der Karte
angegeben. Schlecht ist bei Sandbänken ein zu niedriger Wasserstand, bei Brücken ein zu
hoher. Anzustreben war also als Bezugsebene ein unteres Meeresniveau für
die Tiefen und ein oberes Meeresniveau für die Höhen.
Normalnull (NN): Bezugsebene der Geodäten für Landkarten. In
Deutschland wurden von der preußischen Landesvermessung alle Höhen auf eine Ebene
bezogen, die man sich absolut waagerecht unter dem Festland entlang gezogen dachte.
Waagerecht bedeutet: Eine Kugel würde überall ruhig liegen, eine Wasserwaage überall
"im Wasser stehen". Eine waagerechte Fläche auf der Erde ist also gekrümmt!
Als Nullhöhe für diese Ebene wurde der Nullpunkt des Amsterdamer Pegels gewählt, dieser
liegt auf der Höhe des mittleren Wasserstandes der Nordsee bei Amsterdam. Eigentlicher Referenzpunkt
ist der Normalhöhenpunkt bei Potsdam, ein unterirdisch (auf Urgestein) gewählter Punkt,
der mit 37,000 m über NN festgelegt wurde. Die österrreichische Landesvermessung bezieht
sich auf eine Marke am Pegel von Triest (Adria), die schweizerische Landesvermessung auf
das Mittelmeer bei Marseille (Referenzpunkt: Felsblock Pierre du Niton im Genfer See mit
373,600 m), die russische und andere osteuropäische Landesvermessungen auf den
Wasserstand der Ostsee am Kronstädter Pegel in St. Petersburg.
Kartennull (KN, engl. Chart Datum): Bezugsebene der Nautiker für
Seekarten. In Gewässern ohne Gezeiten stimmen NN und KN praktisch überein. In
Tidengewässern jedoch ist KN in irgendeiner Weise auf Springniedrigwasser bezogen,
also auf die niedrigsten Niedrigwasser, die im Mondphasenzyklus auftreten. Wie Kartennull
genau definiert ist, ist in jeder Seekarte angegeben.
Seit Anfang 2005 ist auch in Deutschland für die Nordsee LAT für das
Kartennull eingeführt worden: Lowest Astronomical Tide, also der
niedrigste Wasserstand, der aufgrund astronomischer
Konstellationen erreicht wird. Wind und Wetter dagegen werden herausgemittelt.
In der Ostsee als gezeitenfreiem Gewässer bleibt alles beim Alten (KN =
mittlerer Wasserstand).
In Gezeitengewässern liegt die Fläche von KN überall unterhalb von NN, und zwar um so mehr, je größer
dort der Tidenhub ist. KN ist also keine waagerechte Fläche, und eine
Kugel auf KN rollt von jedem Punkt aus dorthin, wo ein noch größerer Tidenhub
anzutreffen ist (zumindest theoretisch, praktisch ist das Gefälle viel zu
klein), da dort KN noch mal niedriger liegt.
Anmerkung: Bis Ende 2004 war KN für die deutsche Nordsee gleich MSpNW (mittleres Springniedrigwasser), d.h. KN
entsprach bisher derjenigen Wasserfläche, die man im Mittel bei Niedrigwasser zur Springzeit
antraf. Aus praktischen Gründen (und wegen der internationalen
Vereinheitlichung) hat man das jetzt geändert, da es sich eben nur um einen
Mittelwert handelte, der von realen Gezeiten gelegentlich noch unterschritten
wurde. Näheres in einem
pdf-Dokument beim BSH.
Tiefenangaben: Alle Tiefenangaben in der Seekarte sind auf Kartennull bezogen, auch für trockenfallende Areale: So nennt man ausgedehnte Gebiete sowie größere oder kleinere Felsen, die bei Niedrigwasser freiliegen, bei Hochwasser dagegen überflutet (und damit unsichtbar) sind. Trockenfallende Höhen müssen ebenso wie "normale" Wassertiefen auf Kartennull bezogen sein, da ja die Wassertiefe über ihnen interessiert, wenn sie nicht sichtbar sind. Solche Höhenwerte sind unterstrichen dargestellt (sozusagen negative Tiefenwerte).
Höhenangaben: Die Höhen "echter"
Inseln (die immer sichtbar sind, auch bei Hochwasser), sowie alle Höhen der
Landoberfläche (Hügel, Berge etc.) sind relativ zu Normalnull
angegeben.
Das kann dazu führen, daß zwei Felsen, von denen einer zeitweise trockenfallend und der
andere immer sichtbar ist und die sich eigentlich nur wenig in der Höhe unterscheiden,
trotzdem in der Seekarte stark unterschiedliche Höhenangaben aufweisen: der eine bezogen
auf Kartennull, der andere bezogen auf Normalnull, das in Tidengewässern deutlich über
Kartennull liegt.
Durchfahrthöhen von Brücken, Stahlseilen etc. sind in der Regel auf mittleres Hochwasser bezogen. Genau wie bei Wassertiefen will man erreichen, daß man sehr selten schlechtere Bedingungen vorfindet als in der Karte angegeben.
Sicherheitsdurchfahrtshöhen unter Hochspannungsleitungen berücksichtigen neben der reinen Durchfahrtshöhe einen zusätzlichen Sicherheitsabstand von 2 - 5 Metern, der verhindern soll, daß es zu Stromschlägen (Funkenüberschlag) z. B. über den Mast kommen kann.
Leuchtfeuerhöhen sind ebenfalls auf mittleres Hochwasser bezogen, damit die nautischen Höhenangaben einheitlich bezogen sind (rein isoliert betrachtet, hätte man Leuchtfeuerhöhen besser auch auf Kartennull bezogen, aber dann wäre es sehr unübersichtlich geworden). Deshalb muß man strenggenommen Leuchtfeuerhöhen in Gezeitenrevieren gegebenenfalls mit der aktuellen Höhe der Gezeit beschicken.